Vanishing Point zählt mit zu den Filmen, die nachfolgende Generationen von Filmemachern erheblich beeinflussten:

Die Directors Guild of America (DGA) und deren Sparte Independent Directors Guild (IDG) führt eine Veranstaltungsreihe durch, die einen Dialog zwischen den Machern der Kultfilme und Nachwuchstalenten ermöglicht. Am 3.11.2003 war Vanishing Point das Thema. Regisseur Richard Sarafian und Hauptdarsteller Barry Newman waren geladen und es hat offenbar Spaß gemacht, wie an den Fotos von Joe Coomber zu sehen ist.


vlnr: Barry Newman, IDG-Chef Gyllenhaal und Richard Sarafian
 
Der Film wurde gezeigt und es gabe eine Frage-Antwort Session. Hier nun einige Aussagen Sarafians und Fakten aus dem Artikel, sinngemäß übersetzt:
 
Was mich verwundert, ist, daß die Kritiker den Film hassten. Nur das Publikum brachte den Film immer zurück (in die Kinos). Er ließ sie nicht los.
Er war - wie die meisten Filme - eine Arbeit aus Liebe, mit einer außergewöhnlichen Crew und einem großartigen Kameramann, John Alonzo. Seine Seele, sein Herz waren der halbe Film. Er hat wunderbare Arbeit geleistet, ohne Beleuchtung. Vielleicht ein Licht. Wir hatten eine Crew von nur 19 Mann. Alle hatten so großartige Energie. Dennis Parish, der Prop-Mann, tat alles: die Bauten, die Props, all die Details, mit solcher Freude. Mein Produktionsleiter war Chico Day. Er ist berühmt. Seine Ausarbeitung über den Film Patton sind jetzt Lehrmaterial and der UCLA (University of California Los Angeles). Wir waren da in der Wüste und arbeiteten in der  heißen Sonne. Manche Tage fuhren wir 400 Meilen: hin zum Drehort, dann die Aufnahmen und weiter ins Hotel und dann Party. Es war ein Spaß. Es war wie ein Tanz.
 
Dieser Tanz überschritt die Grenzen der Bundesstaaten und noch mehr Grenzen: die von Kowalski genarrten Polizeibehörden, die Rassen- und Geistesgrenzen, verkörpert durch die Figur Super Soul, die Musik und Gegenkultur der 60er, Seite an Seite mit dem andauernden Vietnamkrieg.


Der Kameramann Janusz Kaminski (Schindlers Liste) schrieb in einem Artikel über seine Beeinflussung durch VP, den er in Polen sah,  daß die Kommunisten den Film nur erlaubten, weil sie es als Beispiel für ein dekadentes Amerika sahen. Ich sah ihn nie auf diese Weise. Er betrachtete ihn als Ausdruck für das Streben nach Freiheit und das tue ich auch.

Ich habe ein alternatives Ende gedreht, welches meine ursprüngliche Vorstellung war. Als Kowalski auf die Bulldozer zurast, sieht er ein Licht zwischen ihnen, das sein Gesicht trifft und als er es berührte, wollte ich einen lautlosen Moment. Und Super Soul, statt seinen Tod zu beklagen, jubelt: ‘Yeah! Er hat es geschafft!’ Meine Vorstellung war, daß er auf ein anderes Niveau gelangt, wie wir alle. Jeder mit seiner eigenen Geschwindigkeit; Kowalski schneller als andere, aber er kommt durch. Etwas anderes wartete dort draußen auf ihn und er merkte das. Er sieht die Autowracks, den alten Friedhof, wie das Metall in die Erde eingeht, die Natur Materie beansprucht, und er war eine Rakete. Aber Studiodirektor Richard Zanuk sagte: ‘Nein Richard, er muß sterben. Es wird Tickets verkaufen.’
 
Wir hatten acht Challenger zum Dienst gezwungen und einen großartigen Mechaniker, Max Balchowsky, der ein Auto am Laufen hielt. Wir nahmen Teile aus einem, um ein anderes am Leben zu erhalten bis das schließlich ausgelutscht war. Sie waren einfach nicht für das gemacht, was wir von ihnen verlangten.  
 
(Hier verweise ich auf den Artikel Kowalskis letzte Fahrt von 1986, der etwas andere Aussagen trifft. Vermutlich erinnerte sich Sarfian 33 Jahre später nicht mehr so genau an die Details.) 


Newman war nicht meine erste Wahl für die Rolle. Al Pacino und Gene Hackman wollten die Rolle, aber das Studio gab mir Barry. Ich war mir nicht so sicher, weil er kein Star war. Er hatte gerade den Film The Lawyer gedreht, aber er paßte gut hinter dieses Lenkrad. Er ging hin und lernte und er hatte dieses Besondere. Er machte es realistisch für das Publikum und mich. Er war nicht der Antiheld. Er ging viel weiter. Wir konnten Barry mit diesem Film entdecken und fühlten uns wohl mit ihm als dem Typen, der das Auto fährt.
 
Als Sarafian VP drehte, dachte er, er würde den 60ern auf Wiedersehen sagen.  
 
Was aber wirklich passierte, war, daß ich ein ganz neues Genre der Road Movies der 70er eröffnete. So wunderbare Filme wie “Two Lane Blacktop” folgten. Für einen Regisseur gibt es nicht Schöneres, als für einen Ort Sinn zu erschaffen; da hinaus gehen, in die Wüste, auf die heißen Straßen. Irgendetwas passierte in mir, als ich da fuhr, um einen geeigneten Ort zu finden, wo ich den Stunt machen könnte. Da waren so viele Einstellungen die ich machte, lange Brennweiten, komprimierte Einstellungen, Sachen, die wir seitdem hundert mal gesehen habe.
 
Ich weiß noch, als ich zum ersten Mal John Ford, eins meiner zwei Idole getroffen habe. Er sagte: ‘Du rauchst also Zigarre?’, gab mir eine aus seiner Hosentasche und sagte: ‘In diesem Film, in diesem Zelluloid ist Magie, etwas, worüber wir keine Macht haben.’ Das kann ich über VP sagen: Es war eine magische Erfahrung.
 
Richard Sarafian im November 2003



Auszüge aus einem Interview mit Janusz Kaminski, sinngemäß übersetzt

6.10.2000, Rick Lyman für die NY Times

Kaminski war 2000 eingeladen, sich im Screening-Kino von 20th Century Fox Vanishing Point anzusehen, einen Film, den er seit 25 Jahren nicht mehr gesehen hat. Eine Filmvorführung nur für ihn und dieses Interview.

***

Ende der 70er Jahre, nach Mitternacht im Halbdunkel eines kleinen Wohnzimmers in Wroclaw, vom Flimmern des Bildschirms schwach erhellt. Janusz Kaminski, damals etwa 16, aus Polen stammend und inzwischen einer der berühmtesten Kameramänner Hollywoods (Soldat James Ryan, Schindlers Liste, Jerry Maguire, Jurrasic Park 2, ...), hatte seine erste und magische Begegnung mit Vanishing Point.

"In den Augen der kommunistischen Regierung war der Grund, warum der Film genehmigt wurde wahrscheinlich, daß er als dekadenter amerikanischer Film betrachtet wurde. Unter den Umständen damals galt er als negativ und amerikakritisch. Aber die Leute, die das Programm zusammenstellten, ware nicht die dümmsten. Ich glaube, sie schafften es, den Film durchzuschleusen, wil er den Kapitalismus zu kritisieren schien. Aber das tat er nicht und ich denke, sie wußten es."


Jene Nacht in Wroclaw ist lange her, aber wenn Kaminski heute gefragt wird, welcher Film ihn in seinem kreativen Schaffen am nachhaltigsten beeinflußt hat, ist es für ihn Vanishing Point.

Die damals gezeigte Kopie von Vanishing Point war nicht die beste. In der Tat wurde ein nachlassendes Videoband abgespielt. Für Kaminski steht VP gleichberechtigt neben Easy Rider und anderen Kultfilmen der Ära. "Das waren Filme die mich und vermutlich Millionen anderer junger Leute in Osteuropa beeinflußten. So lernten wir über die Welt - aus Filmen. "Die Mehrheit der Jugendlichen, die wie ich im Kommunismus in Polen aufwuchsen, dachte, Amerika wäre DER Ort zum Leben. Für mich war es nicht das Land des Wohlstands, wo jeder Auto und Haus hat, sondern das Land der Freiheit, wo das Individuum und die Ideologie frei sind. Darum wollte ich so gern her kommen."

"Die Vorstellung war komplett surrealistisch für uns: Man konnte jemanden anheuern, Autos quer durch die Staaten zu fahren und der bekam dafür noch Geld! Komplett unreal, und natürlich: Wir alle wollten den Job haben. Was für eine Freiheit. Was für ein Urlaub."


Noch ein Punkt traf Kaminski, als er den Film sah: All die wettergegerbten Gesichter hinter blinden Fensterscheiben in dieser runtergekommenen ländlichen Schäbigkeit. "Das ist keine glamouröse Abbildung von Amerika, sondern es fühlt sich sehr realistisch an. Dieses Gesicht von Amerika ist immer noch da draußen. Ich denke, wenn wir auf dem Freeway eine Stunde aus Los Angeles herausfahren, wirst du es sehen. Aber wir haben aufgehört, es anzuschauen. Filmemacher haben aufgehört, es anzuschauen."

Über ein mögliches Remake sagte er, eine Hollywood-Größe, die regelmäßig Studio-Bosse und andere Filmemacher trifft: "Heute könnte man so einen Film nicht machen. Keine Chance. Sie würden es nicht akzeptieren. Sie würden fragen: 'Warum muß er sterben? Das Publikum würde es nicht akzeptieren.' Weißt du, Filme sind heute so viel sicherer, weil das Risiko viel größer ist. Es ist zu viel Geld im Spiel, zu viele falsche Leute treffen Entscheidungen, jemand der Buchhalter ist. Sie sagen, das Publikum würde es nicht gut finden, aber ich denke: das Publikum wird es mögen. Das Publikum ist bereit für alles, was es bewegt oder unterhält."

Kaminski identifiziert sich noch heute mit Kowalski. "Ich habe ein klares Verständnis von Unabhängigkeit. Es gibt für mich keine Abhängigkeiten von bestimmten Studios oder Firmen. Noch heute strukturiere ich mein Leben so, daß ich Entscheidungen frei treffen kann... Diese Freiheit zu haben ermöglicht mir, mutig zu sein und nicht die sichere Variante wählen zu müssen. Und keine Angst haben zu müssen, ist ein großer Komfort."



Den Versuch eines Remakes gab es 1997 ...

als Fernsehproduktion mit Viggo Mortensen (Herr der Ringe), der ebenfalls einen weißen 1970er Challenger überführen soll. Allerdings ist das nach meinem Geschmack ein überzogener Action-Streifen geworden. Dennoch wurden einige interessante Aspekte des Originals aufgegriffen, so z.B. Sarafians Alternatives Ende (Kowalski verschwindet beim Aufprall). Im Fernsehen lief der Film unter dem Titel Höllenjagd nach San Francisco.

Wo sie leider komplett versagt haben, ist der Ton: Immer, wenn man mal die Chance hätte, den V8 bei der Arbeit zu hören, wurde nervende Filmmusik drüber gelegt. Wie im Film Bullitt, wurde bei einer der Verfolgungsjagden ein schwarzer Dodge Charger zerlegt.



Drive (1997)

Eine eher der leichten Kost zuzuordnende Action Komödie um einen Kung-Fu Kämpfer mit Superkräften, der an eine Nervensäge mit Rastalocken gerät, der zufällig (hä???) einen Challenger fährt. Es gibt natürlich Verfolgungsjagden und ein paar Szenen, die verdammt an GP0 erinnern:


Ausweglos in der Wüste


Nicht schon wieder! Straßensperre der blöden Cops. Na dann gib mal Gas.



Quentin Tarantinos Death Proof

Die sicherlich deutlichste Anlehnung sieht man bei Quentin Tarantinos Death Proof von 2007. Er nutzt einen weißen Challenger, der seine Muskeln reichlich spielen lassen darf und inszeniert sogar die legendäre Sprungszene neu! Ansonsten typisch Tarantino mit geradzu genüsslich arrangierten Gewaltszenen.

 
Der Challenger wird gut in Szene gesetzt und das Gegenlicht erinnert an die Szene in GP0,
die mit dem Song Freedom of Expression hinterlegt ist.


Es gibt auch ein richtiges Rennen, nur, dass es hier um Leben und Tod geht.
Sonst wär's ja auch kein Tarrantino.


Tarrantino hat die Sprungszene neu interpretiert ...


... und am Ende zerlegt es den Rivalen, einen bösen schwarzen Dodge Charger,
den wir schon aus dem 1997er Remake kennen. Und aus Bullitt natürlich.
Hatte nicht auch Vin Diesel vor seiner Power Respekt?